10 Jahre Krümelkiste

 

Ein Interview mit Kathrin Finkbeiner, Fachleitung Soziale Hilfen

 Im Jahr 2023 kann die „Krümelkiste“, das Gruppenangebot für Kinder aus suchtbelasteten Familien, den 10. Geburtstag feiern. Seit den ersten Gruppentreffen im Jahr 2013 hat sich die Krümelkiste nicht nur etabliert, das Angebot konnte auch deutlich ausgeweitet werden. Kathrin Finkbeiner, Fachleiterin Soziale Hilfen, berichtet über die Idee und die erfolgreiche Entwicklung der Krümelkiste.

Was war der Hintergrund, wie entstand dieses Angebot für Kinder suchtkranker Eltern?

Im Jahr 2011 bin ich von der Jugendhilfe als Leitung in die Suchthilfe gewechselt. Ich habe gemerkt, dass die Orientierung in diesem Bereich bisher sehr stark bei den Suchtkranken lag und weniger bei ihren Familien und Kindern. Andererseits hatte ich die Erfahrung aus der Sozialpädagogischen Familienhilfe mit suchtkranken Familien. Dort kam man oft nicht an den Kern der Probleme, zum Beispiel, wenn es darum ging, Alltagsstrukturen in der Familie für die Kinder zu schaffen. Mein Ansatz war daher, Jugendhilfe und Suchthilfe stärker zusammen zu bringen. Hinzu kam, dass es zu diesem Zeitpunkt schon eine klare Studienlage gab, was Kindern mit suchtkranken Eltern hilft.

Was waren die ersten Schritte?

Ich habe ein Konzept gemacht für ein Angebot für Kinder aus Suchtfamilien, noch ohne Mitarbeiter*innen dafür. Das Ziel des Angebotes sollte sein, den Kindern Stabilität zu geben und Verlässlichkeit im Außen, da genau dies in der Familie fehlt. Außerdem sollte das Thema aus der Tabuecke geholt werden. Wir wollen auch Lobbyarbeit für die Kinder aus suchtbelasteten Familien betreiben. Geplant waren zunächst projekthaft 10 Termine. Wir haben von Anfang an einen Fahrdienst eingeplant. Mobilität sollte kein Ausschlusskriterium sein, wenn Eltern nicht zuverlässig ihre Kinder zum Gruppentermin bringen können.

Wie haben Sie das Gruppenangebot dann auf den Weg gebracht?

2012 gab es eine Ausschreibung von „Menschen in Not“ für kleinere Projekte. Dort haben wir einen Antrag gestellt, der auch bewilligt wurde. Danach konnten zwei Mitarbeiterinnen, je eine aus der Jugendhilfe und der Suchthilfe mit dem Gruppenangebot beginnen. Die Resonanz war vom Start weg gut. Die zunächst geplanten 10 Termine haben nicht ausgereicht. Die Fortsetzung war notwendig, um den Kindern Kontinuität zu bieten. Für die Kinder ist ja in ihrer Familie nichts beständiger als die Unbeständigkeit. Deshalb sollen sie in unserem Gruppenangebot ja Verlässlichkeit erleben. Wir konnten erfolgreich Spenden akquirieren und das Angebot fortführen, dabei bekamen wir auch Unterstützung von Stiftungen und der Öffentlichkeit.

Wie hat sich das Angebot dann etabliert?

Nachdem das Projekt gut angelaufen war, haben auch die Stadt Heilbronn und der Landkreis jeweils Mittel für 10 Prozent Stellenumfang zur Verfügung gestellt. Nach dem guten Start konnte das Angebot erweitert werden. Die Mini-Krümelkiste und JUNO kamen dazu. Heute haben wir Gruppen für Kinder von 6 bis 8 Jahren, von 9 bis 12 Jahren und für Jugendliche von 13 bis 16. Vom Stellenumfang von insgesamt 55 Prozent finanzieren wir heute 20 Prozent Stellenumfang durch kommunale Zuschüsse und den übrigen Umfang über Spenden. Wir sind sehr dankbar für regelmäßige Spender, sind aber immer noch auf weitere Spenden angewiesen.

Wie ist die Erfahrungswelt der Kinder in ihrer Familie?

Kinder in Suchtfamilien leben in einer häuslichen Situation, in der das Suchtmittel im Mittelpunkt steht. Sie tragen auch dazu bei, dass die Situation in der Familie nicht nach außen dringt. In der Schule sind das oft ganz unauffällige, zurückgezogene Kinder. Manche spielen aber auch den Clown. Das Verhalten hat immer den Zweck, nicht auf die Situation in der Familie hinzuweisen. Oft wird nur das Verhalten der Kinder auffällig, ohne dass man den Hintergrund kennt. Kinder können, je nach Alter, die Situation oft noch gar nicht richtig erfassen. Sie können sich das unberechenbare Verhalten der Eltern oder des jeweiligen Elternteils nicht richtig erklären. Teilweise geben die Kinder sich sogar selbst die Schuld daran. Es besteht die Gefahr, dass die Kinder später dasselbe Verhalten entwickeln und auch suchtkrank werden. Manche bekommen auch Depressionen.

Wie können Sie die Kinder durch das Gruppenangebot unterstützen?

Die Kinder sollen in der Gruppe den Umgang mit der Sucht der Eltern beziehungsweise des Elternteils lernen. Sie lernen eigene Gefühle wahrzunehmen, sollen Selbstwirksamkeit und Resilienz entwickeln. Sie lernen damit umzugehen, dass ein Elternteil krank ist. Es ist hilfreich, wenn es im Umfeld Personen im Außen gibt, die Verlässlichkeit vermitteln. Das können Verwandte oder Nachbarn sein. Das ist ein großer Stabilisator und eine Chance für Kinder, um gesund groß zu werden. Auch die Krümelkiste hat das Ziel Stabilität zu bieten. Wir können die Kinder ein Stück weit begleiten und Ihnen ein Handwerkszeug vermitteln, damit sie besser mit der Situation umzugehen lernen. Die Kinder sprechen dann auch in der Gruppe untereinander darüber. Das gibt ihnen das Gefühl: ich bin nicht allein. Wir wollen den Kindern das Gefühl geben, dass sie ernst genommen werden.

Wie stehen die Eltern zu diesem Angebot?

Die meisten der Eltern wollen das Beste für ihre Kinder, sie wollen supergute Eltern sein. Deswegen lassen sie die Kinder auch an der Gruppe teilnehmen. Es ist wichtig zu betonen, dass Sucht eine Krankheit ist. Zu Beginn wird eine Sprecherlaubnis unterzeichnet. Die Eltern erlauben damit, dass die Kinder über die Situation in der Familie und die Suchtthematik sprechen dürfen. Das ist auch für die Eltern ein großer Schritt. Manche Eltern konnten sich dadurch auch selbst zu einer Suchttherapie durchringen.

Mehr Informationen zur Krümelkiste