Fragen an den neuen Diözesancaritasdirektor

 

Sie waren knapp zehn Jahre zunächst als Geschäftsführer, nach der Strukturreform als Vorstandsvorsitzender erster Mann beim Caritasverband im Tauberkreis. Am 1. September 2022 erfolgte die Stabübergabe zum Vorstand im DiCV Rottenburg-Stuttgart.

Wie war Ihr Start bisher?

Wirklich gut. Ich erfahre im Verband viel Unterstützung und Rückenwind für mich und meine Ideen. Dazu lerne ich jeden Tag neue Themen und Menschen kennen. Das macht insgesamt sehr viel Freude.

Was reizt Sie bei der neuen Aufgabe am meisten?

Es ist hochspannend, von einem Ortsverband in die Praxis eines großen Spitzenverbandes zu wechseln. Die Themen sind im Kern vergleichbar, aber durch die neue Dimension sind sie anders zu denken und zu skalieren. Die Ebene eines großen Verbandes bringt andere Perspektiven mit sich, vor allem sozial- und unternehmenspolitisch. Wichtig ist für mich, dass ich meine Praxiserfahrung aus einem agilen Ortscaritasverband zur sinnvollen Weiterentwicklung eines agilen Diözesancaritasverbandes einbringen kann.

Worauf freuen Sie sich?

Wir haben viele kompetente Experten im Verband, die an hoch relevanten Themen mitdenken. Ich freue mich darauf, mit diesen klugen Menschen Gestaltung neu anzugehen. Ich sehe nicht nur herausfordernde Aufgaben für die Menschen, für die wir da sind, sondern auch brisante Themen im politischen Kontext. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern eine zentrale Aufgabe, um die Fragen der Versorgung der Bürger*innen in allen Hilfefeldern gemeinsam anzugehen. Außerdem freue ich mich, als Unterstützer von Sinnstiftung meinen Teil für den gesellschaftliches Zusammenhalt beizutragen und die Herausforderungen in der Gestaltung von Bürgerschaft, von neuen gesellschaftlichen Mustern sowie in der Lobbyarbeit anzugehen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen

… im gesellschaftlichen und politischen Umfeld

Im gesellschaftlichen und politischen Umfeld ist die größte Herausforderung der offensichtlich zunehmende Versorgungsnotstand. Es gibt immer weniger Menschen, die im sozialen Bereich für andere Menschen arbeiten wollen. Da entsteht ein Gap. Wir brauchen einen gesellschaftspolitischen Diskurs darüber, wie wir diesen Gap schließen können. Ich bin mehr und mehr überzeugt davon, dass es dafür einen neuen Gesellschaftsvertrag braucht. Wir kommen an einen Punkt, an dem eine Priorisierung von Themen notwendig wird: Möchten wir beispielsweise in die Altenhilfe investieren oder in eine neu geteerte Straße? Dabei reicht es nicht mehr aus, mehr Geld einzufordern, die gesellschaftliche Debatte muss tiefer gehen. Wir müssen ein Zukunftsbild entwickeln, dass über bisherige Strukturen und Systeme hinausgeht: Ressourcen und Geld sind endlich. Wir müssen die Mittelverwendung für sozial verantwortliches Miteinander neu denken und dafür die relevanten Weichen strategisch neu stellen. Zentral dabei ist, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität immer mitzudenken.

… innerhalb des Verbandes

Im Diözesancaritasverband sehe ich eine hohe Anforderungen bei der Entwicklung aller Themen rund um die Digitalisierung. Es stellt sich unter anderem die Frage, was als Masterplan für digitale Prozesse ethisch vertretbar, gewollt und sinnvoll ist. Darüber hinaus geht es um interne Abläufe und diese digital zu verschlanken. Die Überlegung ist: Wo lohnt es sich Dinge zentral zu machen, was ist dauerhaft dezentral sinnvoll. Wir stehen vor einer Phase von finanzieller Knappheit. Die aktuellen Krisen haben zu knappen öffentlichen Kassen geführt, Kirchensteuerzahler werden auch deutlich weniger. Wir müssen die Mittel neu einteilen, einen Euro kann man nur einmal ausgeben. Innerhalb des Verbandes haben wir mit der Charta 28 einen tollen strategischen Prozess. Er stellt zentrale Zukunftsfragen in den Mittelpunkt. Ich finde es wichtig, auf dieser Folie ein gemeinsam gestaltetes Zukunftsbild nach innen und außen umzusetzen. Dafür braucht es Transparenz und Offenheit.

Welche Erfahrungen gelungener Arbeit aus dem Tauberkreis möchten Sie einbringen?

Ich habe dort viele von den Prozessen, die im Bereich Finanzen, Personal und IT notwendig sind, erfolgreich durchgeführt, umgesetzt und Transformationsprozesse eingeleitet. Der Caritasverband im Tauberkreis e.V. ist ein „mittelständisches“ Unternehmen, aus dem ich Erfahrungen auf die jetzt größere Ebene einbringen kann. Ein zweiter Punkt ist die Erfahrung mit praktischen Kooperationen, zum Beispiel in der Jugendhilfe. Wir haben beispielsweise als drei Träger gemeinsam die Refinanzierung von Jugendhilfeleistungen mit den Auftraggebern verhandelt. So haben wir deutlich mehr erreicht, als jeder für sich alleine. Ein sehr gutes Kooperationsbeispiel für die Zukunft. Es lohnt sich immer neu, gemeinsam mit anderen Netzwerkpartnern um ein „Mehr“ zu ringen.